Wilfried Wieck
Liebe Mutter, du tust mir nicht gut
Söhne schreiben an ihre Mutter
Der Psychologe Wieck hat hier Briefe von Söhnen an ihre Mütter gesammelt wiedergegeben,
die diese Söhne als (vorläufiges) Ergebnis der oft jahrelangen Therapiearbeit erarbeitet
haben. Es geht hier um Fallbeispiele, die nur sparsam kommentiert werden (danke!) und
oftmals erschütternd sind. Gruselig fast. Gruseliger als Stephen King, denn der schreibt
Fiction. Diese Briefe beschreiben aber die Empfindungen der Söhne gegenüber ihren Müttern,
die sie ihnen bisher nie mitgeteilt hatten, nicht mitteilen konnten. Die Therapie brachte
viel Verschüttetes an den Tag (denn dazu ist sie da), die Söhne rechnen nicht unbedingt
alle kalt mit ihren Müttern ab. Da ist schon Verständnis vorhanden, aber alle Briefe
durchzieht der Wunsch, sich endlich loslösen, endlich ein eigenes Leben führen zu können,
ohne direkte oder indirekte Bevormundung oder Aufsicht durch die Mutter. Und immer wieder
der Wunsch an die Mütter, ihr eigenes Leben nicht zu vernachlässigen und so dem Sohn zu
erlauben, sich selbst ein Leben einzurichten (wohlgemerkt: es wird nicht vorgeworfen, wenn
sie sich gekümmert haben, wohl aber die ausschließliche Fixierung auf das Kind). Die Briefe
stammen sowohl von Autoren, die in der Kriegszeit groß wurden als auch von solchen, die in
den 1960ern geboren wurden.
Der erste Titel dieses Buchs könnte einen guten Titel für einen Krimi abgeben (und man kann
sich ausmalen, was mit der Mutter passiert...). Dieses Buch ist aber natürlich keine
Unterhaltungslektüre, und oft legt man es weg und sagt sich, das darf ja wohl nicht wahr
sein. Ist es aber. Et jit kein größres Leid als wat de Minnsch sisch selbst andeiht.
Wer auch Interesse hat an einer Bearbeitung des Mutter-Tochter-Verhältnisses, das zwar nicht
die Komponente Mann-Frau enthält, aber eben andere Knackpunkte, folgt
diesem Link.
Es würde mich auch interessieren, mal etwas über das
Vater-Kind-Verhältnis zu lesen. Falls jemand von so etwas weiß, bitte mailt mir mal.
Erschienen bei
Kreuz Verlag Zürich
ISBN 3-268-00254-4
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Rezensiert 20.11.2000
© Claudia Heldt.
Zuletzt aktualisiert: 23.05.2009